Me, Without Words

Me without words Cover

 

Es ist dieses Gefühl, verlorenzugehen. Es ist das Schweigen, das über allem liegt, es sind die unausgesprochenen Worte, die im Raum hängen und die Juli am liebsten herunterschlagen und ihren Eltern in die versteinerten Gesichter werfen würde. Es sind die Erwartungen, die sie hinter den Kerzen zu erkennen glaubt, die ihr Freund Levin angezündet hat, und es ist die Freundschaft zu ihrer besten Freundin, die an den Rändern auszufransen scheint. Es sind all diese Gründe, aus denen Juli mit dem Gedanken spielt, sich auf jemanden einzulassen, dessen Absichten sie nicht zu durchschauen vermag …

Minttu, Kira: Me, without Words
Jugendbuch ab 14, ca. 350 Seiten

eBook € 3,99 bei Amazon
Klappbroschur, ISBN 978-3-95869-291-6, € 12,90 bei Ink Rebels/Amrun

 


Die Stille ist so laut, demnächst werde ich schreien, um sie zu übertönen. Mit der Gabel ziehe ich Furchen durch den Reis, zerquetsche das faserige Fleisch auf meinem Teller. Kratzgeräusche steigen zur Zimmerdecke. An meinen Armen stellen sich die feinen Haare auf.
»Julika.« Die Hände meiner Mutter umfassen noch immer das Besteck, verharren aber reglos neben ihrem Teller. »Bitte.«
Hühnchen. Ich picke die zerdrückten Klumpen aus dem Reis und schiebe sie an den Tellerrand. Ein paar Erbsen kullern dabei auf den Tisch, gleichgültig sehe ich ihnen hinterher.
Ein Klacken ist zu hören, als ich mein Gewicht verlagere und das einzige Stuhlbein ohne schützenden Filz aufs Parkett trifft. Der Filznoppen hat sich bereits vor einer Weile gelöst, mein Vater wollte sich eigentlich darum kümmern, aber derzeit spielt hier so etwas keine große Rolle mehr.
Hin und wieder klappert es leise, ein zartes Klirren, Einatmen, Schnaufen, Kaugeräusche. Kaugeräusche sind ekelhaft. Hat man sie erst mal wahrgenommen, kriegt man sie nicht mehr aus dem Ohr. Mein Vater atmet beim Essen schwerer, als würde es ihn anstrengen. Kauen, kauen, schnaufen, kauen.
Die Kaugeräusche meiner Mutter sind unauffälliger. Wie ein Kaninchen mümmelt sie eilig alles hinunter, schluckt, hat schon den nächsten Bissen auf der Gabel. Kauenkauenkauen.
»Iss wenigstens ein bisschen Fleisch, Julika.« Meine Mutter hat ihr rasendes Gemümmel unterbrochen, um mich erneut vorwurfsvoll anzusehen. Auf ihrer Gabel verharrt ein Häufchen Reis bewegungslos in der Luft.
»Lass sie doch. Sie mag halt kein Huhn.« Mein Vater hält den Kopf gesenkt, während er spricht. Es sieht aus, als würde er sich mit seinem Essen unterhalten. Mehrere Sekunden lang brennt ihm der Blick meiner Mutter ein kleines Loch in die Schädelplatte.
Ich spieße eine Erbse auf, noch eine, noch eine, noch eine. Eine grüne Erbsenkette reiht sich die Gabelzinken entlang, drückt sich immer enger zusammen, bis die ersten Erbsen zarte Risse bekommen und die dünne Haut aufplatzt.

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